Sonntag, 16. August 2015

"Irréversible" [FR '02 | Gaspar Noé]

Die Kamera suchend, rotierend. Cameo eines schweinsköpfigen Menschenfeindes, der gerne seine Tochter bumst. Rektal-Untersuchung, durch endlose Schläuche, pulsierend, ins Rektum. Ein schwarzes Loch, die Wände schwitzen, der Boden bebt unter unaufhörlich treibenden Elektrobeats. Wer hat Le Tenia gesehen? Kennst du Le Tenia? Ist Le Tenia hier? Blas' mir einen! Fiste mich! Fiste mich! Die Schwuchtel bumsen im Verborgenen, weil sie anderswo nicht geduldet werden. Das Rektum ist ihre Parallelgesellschaft. „Irreversibel“ findet hier seinen Anfang, und sein Ende. Der Akt der Rache erreicht hier seine Endgültigkeit, die fatalistische Wendung folgt später. Auf eine Interview-Frage hin, die mögliche Homophobie seines Filmes betreffend, machte Noé nur darauf aufmerksam, dass er sich ja selber masturbierend im Rektum platziert hätte. Quasi präventiv, um den zu erwartenden Vorwürfen etwas handfestes entgegensetzen zu können. Zumindest spricht diese Maßnahme für einen nicht vollkommen unreflektierten Filmemacher mit einem Bewusstsein um Außenwirkungen. Dementsprechend dürften die albernen Reaktionen unprofessioneller Erfüllungsgehilfen in Cannes für Noé nicht sonderlich überraschend gewesen sein - medienwirksam waren sie sowieso. Jede Diskussion um Homophobie ist „Irreversibel“ am Ende des Tages zuträglich. Und doch ist sie nichts wert. „Irreversibel“ ist gegen alles und jeden und damit schlussendlich gegen nichts. Homosexualität, Travestie, Immigration – sie alle sind hier negativ konnotiert. Selbst der sonst so besonnene Lehrer – gebildet, weiß, gut situiert – zermatscht die falsche Visage, sein Kumpel ist ein homophober Hitzkopf, der sich - wenn es drauf ankommt - den Arm brechen lässt und der Vergewaltiger ist einem Cartoon entsprungen. Alles in „Irreversibel“ geschieht aus egoistischen Motiven heraus. Die Nacht ist so finster, dass man glaubt, es gäbe keinen Morgen mehr. Und die einzige Möglichkeit der Nacht zu entfliehen, besteht darin, die Zeit zurückzudrehen.

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