Samstag, 16. April 2016

"Fieber im Blut" [US '61 | Elia Kazan]

Einer dieser Streifen, bei dem man zu jedem Moment spürt, dass sich etwas bewegt, windet und sträubt. In den Figuren toben die Gefühle, die sie theatralisch die Gesichter verziehen lassen - wie bei jedem Kazan. „Fieber im Blut“ (oder der wunderbare Originaltitel „Splendor in the Grass“) ist zwar in vielerlei Hinsicht Coming-of-Age und bleibt ausnehmend adoleszenten Perspektiven verpflichtet, vermittelt jedoch gleichzeitig zwischen den Generationen. Das macht die Figuren ambivalenter und ihre Konstellationen interessanter. Zudem inszeniert er wahnsinnig präzise ins Detail: die Männer im Anzug, die wie ein ausgehungertes Wolfsrudel dem betrunkenen Blondchen auf den Parkplatz folgen, die sich schließende Tür im Büro des Psychologen, die plötzlich als Kameramaske den Blick auf Deanie komprimiert oder die tuschelnden Eltern am linken Bildrand und Deanie im Vordergrund auf der Veranda, unruhig nach hinten blickend. Kazan gibt den Blick entweder frei oder versperrt ihn, aber immer sind seine Figuren getrieben, werden erdrückt und sind von Eltern umgeben, die ihren Kindern die Luft zum atmen rauben. Und die mit Inbrunst errichteten Ideale, die Werte der alten Welt wanken im Körper eines hinkenden, ergrauten Patriarchen, der seinem Sohn die halbe Welt kaufen kann, außer das was zählt. Dieser sieht im Mädchen seines Sohnes nur die Trophäe, nur das Offensichtliche. Im sozialen Schnittpunkt Familie bricht wieder einmal alles zusammen, weil der eine nur reden kann und der andere nur zuhören darf. Die Doppelmoral kann nur unter dem Deckmantel der Verrücktheit verlautbart werden, aus dem Munde einer Ausgestoßenen. Sie nimmt die Wandlung der Deanie vorweg und reißt die Fassade etwas ein. Sie startet die Revolution, die sich in den Protagonisten schließlich vollzieht. 

6.5/10 

Sonntag, 10. April 2016

"Jack Goes Boating" [US '10 | Philip Seymour Hoffman]

Die Haare werden krause, verfilzt; kleine Spaghetti, die unter einer dicken Wollmütze begraben liegen. Und Jack geht durchs Leben, versucht's leicht zu nehmen und positiv. „Das beste am Winter ist, dass danach der Frühling kommt“ singt Nagel – und ich glaube Jack sieht das ganz ähnlich. Ein Großstadt-Held, der unerschrocken den Komplikationen des Lebens begegnet. Wirklich und ganz im Ernst liebenswert – wert, es geliebt zu werden. So wie er es verdient hat, glücklich zu sein. Wirklich glücklich, nicht für immer, aber für die längst mögliche Zeit. Indie-Klischees spart „Jack Goes Boating“ übrigens weitgehend aus und zelebriert vor allem die Seltsamkeit seiner Protagonisten nicht, um aus ihrem Zusammenspiel platte Akward-Pointen zu kondensieren. Und es ist klug, wie er die anfänglich vermittelten Perspektiven vom schönen, mehr oder weniger erfolgreichen Paar und dem Einzelgänger Jack in einer kammerspielartigen Konfrontation zwischen vier Menschen in vier bedrückenden Wänden sukzessiv einer Dekonstruktion unterzieht und all das in seine Einzelteile auflöst, was nach außen hin so gesichert schien. Dann ist der Film schmerzhaft und enthüllend, und angemessen unangenehm und anstrengend. Und dann tritt auch zutage, was solange unter bloßer Behauptung versteckt lag, und all die Ängste werden besprochen und all die Gefühle, die in der Stadt so nichtig erscheinen. Philip Seymour Hoffman darf zudem in einer weiteren seiner vielen sensiblen Rollen bestaunt werden. Uneitel spielt er einen wirklichen Menschen und lässt wirkliche Gefühle zu. Und zeigt Wege und Optionen auf, die einem bis dahin verborgen geblieben waren. Vorbildlich, selbstbewusst, die Rastas werden langsam, und der Sommer kommt - ganz bestimmt.

6/10

Mittwoch, 6. April 2016

"Homme Less" [US, AT '14 | Thomas Wirthensohn]

[…] Die vielfältig gearteten Formen der Obdachlosigkeit zeigt „Homme Less“ erst gar nicht auf – und das soll er auch gar nicht. Regisseur Thomas Wirthensohn zentriert ausschließlich ein Einzelschicksal und stellt es in den Mittelpunkt. Ihm scheint mehr um ein Porträt Reays gelegen und darum dessen Spuren bis hin auf das Dach eines New Yorker Apartmentkomplexes nachzuspüren, statt eine ausführliche Milieustudie betreiben zu wollen. […] Zwei Jahre lang begleitete Wirthensohn den obdachlosen Fotografen im Stile einer teilnehmenden Beobachtung, skizzierte dessen Alltag, führte Gespräche, heftete sich an dessen Fersen oder überließ dem Schauspieler Reay ganz einfach die Bühne. Der Zuschauer wird dabei zum Komplizen und Wirthensohn rückt ihn mit entsprechenden Bildern ganz nah heran: intime Momente scheinbar wahrhaftig verlebter Emotionen in verwackeltem Digitalbild, die Kamera im Nachtmodus, um den sich im Schlafsack verkriechenden Reay auch wirklich von morgens bis abends beobachten zu können oder dessen Gesicht in der Großaufnahme – die Gesichtsfurchen, die mit Mitte fünfzig eben ihre Kreise ziehen, die grauen Bartstoppeln oder das dünner werdende Haar, das durch die Pomade hindurch umso deutlicher sichtbar wird. [...]

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Samstag, 2. April 2016

Zuletzt gesehen: März 2016

 "Black Mass" [US '15 | Scott Cooper] - 4/10

"Reign Over Me" [US '07 | Mike Binder] - 4/10

"Buffy" [US '97 | Season 1] - 6/10

"Buffy" [US '97 | Season 2] - 7.5/10

"Buffy" [US '98 | Season 3] - 8/10

"Buffy" [US '99 | Season 4] - 7/10

"House of Cards" [US '16 | Season 4] - 6/10

"The End of the Tour" [US '15 | James Ponsoldt] - 6/10

"Der Krieg des Charlie Wilson" [US '07 | Mike Nichols] - 6/10

"Extrablatt" [US '74 | Billy Wilder] - 5/10

"A Girl Walks Home Alone At Night" [US '14 | Ana Lily Amirpour] - 5/10

"Lone Ranger" [US '13 | Gore Verbinski] - 5/10