Sonntag, 26. Juli 2015

"All Is Lost" [US '13 | J.C. Chandor]

Der alte Mann und das Meer. Leck, blöder Zufall, Wasser im Kahn. Redford bleibt ruhig, besonnen, weiß was wann zu tun ist und in welcher Reihenfolge. Ungereimtheiten versalzen hier nur Segelnerds die Suppe. Aber mit Redford sind wir schon bei einem Problem: die Figur ist schwer zugänglich, Panik vermittelt Redford nicht, nur Gottvertrauen und Besonnenheit. Zudem umweht dessen Kenter-Fahrt während des ungelenken Sturm-Brimboriums eine leichte Brise wohliger Studio-Atmosphäre, die die Immersion, alleine mit diesem alten, stummen Mann den Kräften der Natur ausgesetzt zu sein, zumindest bröckeln lässt. Aber man versteht Chandor's Anliegen, Überlebenskampf auf den Grundsatz heruntergebrochen darzulegen, entschlackt von Erlösungsmythen und Selbstfindungsgeblubber in dem hereinbrechenden Chaos und dem nahenden Tod doch noch spirituelle Erfüllung zu finden. Nein, hier hat ein Mann alleine mit dem Meer Angst um sein Leben und greift wieder und wieder nach dem letzten Strohhalm. Bis er ins Leere greift und sich treiben lässt. Redford spielt bis zur Grenze, strotzt vor allem den physischen Herausforderungen seiner Rolle, bäumt sich auf, sackt zusammen, bis selbst der befreiende Schrei der Verzweiflung vor Erschöpfung erstickt. Deswegen gilt auch diesem Lob für die Errungenschaft knapp zwei Stunden lang in dessen Gesichtsfurchen nach Nuancen suchen zu wollen und den Spuren, die die Odyssee an ihm, zuvorderst aber in ihm hinterlassen hat. Und diese Suche nicht zu bereuen, weil Redford und Chandor sie mit unsentimentalen, eindringlichen Bildern belohnen. Da geht es dahin, im lodernden Feuerball, im ironischen Kampf elementaren Dualismus. Eine letzte Prüfung, ein letztes Loslassen. Und dann: träumen. 

6.5/10 

Sonntag, 19. Juli 2015

"Louie" [US '10 | Louis C. K.]

Liebenswert. Liebenswert trottelig, um es mit Pamela's Worten zu sagen, die dumpf aus einer rauen Kehle dringen und im Treiben der Straße augenblicklich wieder verklingen. Kein Arsch in der Hose, schwabbel-bäuchig, rothaariger Haarkranz von grauen Strähnen durchsetzt, die Season für Season, Jahr für Jahr prominenter werden. Es geht um Louie, der Protagonist aus „Louie“, der Schreiber, der Cutter, der Dirigent, der Motor und das Herz dahinter, der, der von einer Peinlichkeit in die nächste stürzt und trotzdem nicht zur Masche verkommt. Überhaupt, „Louie“ ist keine Masche, kennt keine Maschen, so wie Louie keine Masche ist, nie war, ganz bestimmt nicht. Und er kennt keine Kunstfiguren, weil er von Menschen erzählt. Die eigenwillige Struktur von "Louie" entzieht sich dementsprechend jedweden dramaturgischen Konventionen. Und das mag zunächst irritieren, besonders jene, die ansonsten auf Kohärenz und konzeptionelle Homogenität konditioniert sind. Aber einen dreistufig gegliederten Klimax gibt es hier einfach nicht, genauso wenig wie ein Reiseziel oder spröde Themenvorgaben. Kein Gag auf Gag, kein von A nach B spurten. Stattdessen rückt Louie in den Mittelpunkt, vor roten Backsteinwänden im Scheinwerferlicht New Yorker Stand-up-Bars. Es gehört dazu, wie das fiese Fremdschäm-Kribbeln in der Magengegend. Von surreal verzerrt zu lebensklug, von peinlich zu brutalst ehrlichem Seelenstriptease, der direkt ins Herz geht. „Louie“ muss sich die Identitätsfrage nicht stellen, weil „Louie“ von Louie erzählt und niemand ist wie Louie. Darum brauchen auch keine Referenzen bemüht zu werden. Und das ist das schöne daran: Wie viel Traurigkeit und Weltschmerz sich hinter der Serie verbirgt, darf jeder für sich entdecken, weil „Louie“ keine Vorgaben macht, nichts bloß ausstellt und jede Form des künstlich heraufbeschworenen Sentiments meidet. Zudem erlaubt er eine Verknüpfung mit der eigenen Lebenswelt und vermag all den Peinlichkeiten und Komplikationen, den Konfrontationen und Missverständnissen des Alltags auch seine komischen Seiten abzugewinnen. Deswegen ist „Louie“ auch nicht eskapistisch, sondern konfrontiert mit der eigenen Lebenswirklichkeit; er entlarvt unser aller Schweinehund, der nicht den Idealen folgt, die er sich selber auferlegt hat und die erst in der Ausdauer glaubwürdig werden. „Louie“ vereint die meisterhafte Autorenschaft Louis C.K.'s mit herausragenden schauspielerischen Darbietungen und absoluter künstlerischer Integrität, die sich nicht zu verbiegen braucht. Kein bisschen. Aus dem Herz in die Flimmerkiste. Am Ende stehen echte, uneitle, seelisch blank ziehende Menschen die in wunderschönen, arschkomischen, bitteren und ganz und gar wahrhaftigen Dialogen das Wort aneinander richten. Und eine Lieblingsserie. Mehr geht einfach nicht.

Samstag, 11. Juli 2015

"Singin' in the Rain" [US '52 | Stanley Donen & Gene Kelly]

Wunderbares, wohltuendes, unmittelbares Kino abseits der Narration. Kino, das für den Moment lebt und Handlungsbögen zunächst als Gerüst versteht, an dessen Ausformungen und Schnörkeln es sich kreativ entlang-zu-tänzeln gilt. Ganz besonders hervorzuheben ist die wunderbare, berühmte Singin' in the Rain-Sequenz, die an die Kraft zur Entscheidung gemahnt, die jedem von uns innewohnt und die Glück als Resultat einer bewussten Entscheidung fernab Schicksals-gläubigem Determinismus versteht. In fabelhaften Technicolor-Bildern wirft „Singin' in the Rain“ einen ironischen Blick auf den Anbruch der Tonfilm-Ära und damit auch auf jene, die auf der Strecke geblieben sind, weil sie den Ansprüchen des evolutionierten Showgeschäfts nicht gewachsen waren. Es ist aber auch ein ironischer Blick auf Hollywood per se und hinter die Kulissen in die Büroräume überforderter Studio-Bosse. Die Ausdruckskraft der Stummfilmzeit, fest verwurzelt in der Theatertradition seiner Entstehungszeit, vereint mit den Klängen Zukunfts-enthusiastischer Tanzbären, die nicht wissen ob sie Schauspieler oder Schausteller sind. Ein Film über die Gestörten des Medienzirkus, die dem, was über sie geschrieben wird, einmal zu oft auf den Leim gegangen sind und andere ihre Lebenswirklichkeit entwerfen lassen. Und ein Film über die kreativen Köpfe und funkelnden Sterne, die im Ton, in der Musik und im Tanz eine Chance sehen. Überlebensgroßes, zeitloses Kino von umwerfender Ausdruckskraft. Kino, das ganz aufrichtig an ein Happy Ending zu glauben scheint. Was kann es schöneres geben?

8/10 

Sonntag, 5. Juli 2015

"Polizeiruf 110: Kreise" [DE '15 | Christian Petzold]

Petzold läuft innerhalb der TV- und Format-Grenzen der Anstalten zu Höchstleistungen auf. „Polizeiruf 110: Kreise“ ergründet zunächst Genre-Konventionen im mäandernd-pointierten Vier-Augen-Gespräch, während es jede Dialogzeile penibel auf seine Motive überprüft, um die Motiv-Frage nett plaudernder Verdächtiger erst einmal hinten anzustellen. In der ersten Reihe sitzen ein unglücklich liebender Modellbauer (Justus von Dohnányi), ein eleganter Profi (Matthias Brandt) und seine Theken-erfahrende Partnerin (Barbara Auer), der die Vergangenheit dicht auf dem Fersen ist. Angereichert mit kostümierten Hollywood-Reminiszenzen (ich musste lachen: „Dressed to Kill“), Meta-Ebenen, Film-Anekdoten und den Gesprächen zweier lebenserfahrener Suchender, die sich wollen, aber nicht haben können. Beim Kaffee zur Klassik des Pförtners, bei der Zigarette mit überstülptem Rauchmelder oder beim Autofahren durch das Hinterland, weil Petzold es liebt seinen Figuren beim Autofahren über die Schulter zu blicken. Petzold erzählt in komischen Details über Möbel-Linien und Hexenverbrennungen (vor ihrer Zeit!) von unerfüllter Liebe und dem Schmerz der Vergangenheit. Und er folgt dem Pfad bis an sein Ende. Bis in die Lichtung, wo zutage tritt, was das Herz verschlossen hält. Und die letzte Maske fällt.

7/10 

Mittwoch, 1. Juli 2015

Zuletzt gesehen: Juni 2015

"Kung Fury" [SE '15 | David Sandberg] - 4/10

"The Guest" [US '14 | Adam Wingard] - 6/10

"Loving Annabelle" [US '07 | Katherine Brooks] - 3/10

"The Fault in Our Stars" [US '14 | Josh Boone] - 4/10

"Louie" [US '15 | Season 5] - 7/10

"Desert Hearts" [US '85 | Donna Deitch] - 4/10

"Community" [US '14 | Season 5] - 7/10

"Mad Max: Fury Road" [AU '15 | George Miller] - 7/10

"Game of Thrones" [US '15 | Season 5] - 6/10

"Oslo, 31. August" [NO '11 | Joachim Trier] - 6/10

"Boys Don't Cry" [US '99 | Kimberly Peirce] - 5.5/10

"Victoria" [DE '15 | Sebastian Schipper] - 8/10

"Electric Boogaloo" [AU, UK, IL, US '14 | Mark Hartley] - 4.5/10

"Polizeiruf 110: Kreise" [DE '15 | Christian Petzold] - 7/10