Sonntag, 30. März 2014

"Mad Max" [AU '79 | George Miller]

Unnachgiebig und mitreißend in seinem unbedingten Drang zum brutalen Fatalismus, erhebt sich „Mad Max“ mit dem plötzlichen Bruch nach der ersten, Metall-zerfetzenden Hälfte über seinen vorauseilenden Ruf. Dem energetischen, Motor-dröhnenden Straßenschlachten, die George Miller nicht inszeniert, sondern zelebriert, folgt schließlich der Ausbruch, der Rückzug zum Parteilosen, Frau- und Kind-umsorgenden Familienvater. Miller drosselt das Tempo, schaltet ein, zwei Gänge zurück und bindet an den Protagonisten. Übliche Drama-Schule. Und doch bleibt dieses rohe, ungeschliffen-dreckige Spielfilm-Debüt immer in Bewegung, die Figuren in Alarmbereitschaft, die Motoren gestartet, um jeden Moment grölend und Fratzen-verzerrt in die menschenleere Ödnis vorzustoßen. „Mad Max“ ist oft Hetzjagd, gelegentlich Spannungskino, aber immer bei sich, bei seinen Motiv-getriebenen Figuren, die gar keine Anstalten machen sich darüber hinaus in irgendetwas begeben zu wollen; Mel Gibson erst recht nicht. Wenn geredet wird, ist es das oft nicht der Rede wert. Erst wenn sich die Krieger auf den Highway schwingen, die Kamera bebt und in ohrenbetäubender Geschwindigkeit gen Horizont gerast wird, bekommt „Mad Max“ und Mad Max ein Gesicht, gerät plötzlich zur Ikone, wird überlebensgroß. Aber nur dann. Wenn Miller versucht konkret zu erzählen, gerät er ins torkeln - abseits von Montage und Kinetik. Der Toecutter ist schwach, bleibt Grimassen-schneidender Irrer ohne Profil und Einfall, die Konfrontationen sind immer etwas ungeschickt eingeleitet und der Werdegang von Max zu Mad Max, den Miller doch so geduldig forciert, geschieht zu plötzlich und ansatzlos. Kritikpunkte, die selten ins Gewicht fallen, zu straight, zu erbarmungslos fegt dieser „Mad Max“ durch seine eigenwillige Zukunftsversion, trifft immer den Ton, den er treffen möchte, um schließlich laut und kompromisslos die Bühne zu verlassen - vor allem laut. 

6.5/10

Sonntag, 23. März 2014

"Spiel mir das Lied vom Tod" [IT, US '68 | Sergio Leone]

Der Score von Morricone ist nach wie vor ein unfassbares Meisterwerk, Leone noch heute ungeheuer modern und mit einem ausgeprägten Gespür für die Ästhetik und die Motive seines Genres vorgehend. Trockener und erhabener jedenfalls haben Gebirgs-durchwachsende Prärie-Landschaften im Film nie ausgesehen. Und bis zum Ende ist diese große Oper, dieses hitzige, Ironie-freie Western-Epos so erbarmungslos und konsequent vorgetragen, dass es einem den Magen zuschnürt. Wenn Leone den Moment zelebriert, die direkte Konfrontation zweier blauäugiger Ikonen etwa und Morricone's Todesmelodie in verzerrten Gitarrenklängen über uns hineinbricht, lässt er keinen Zweifel an der Unsterblichkeit seines Filmes bestehen. Abseits dieser Handlungs-unabhängigen Höhepunkte entwickelt „Spiel mir das Lied vom Tod“ aber kaum Dramatik. Die Figuren bleiben unangetastete Ikonen, die Zeit gerinnt. Es ist eben eine harte Welt für harte Kerle. Platz für echte Menschen gibt es in diesem langen, viel zu langen Selbstzitat nicht; nur Mimik-erstarrte Typen mit Knarren und ein Weib, das nichts zu sagen hat. Ein Leben ist hier sowieso nichts wert und jeder ist sterblich. Diese Melodie aber, die wird die Zeit überdauern; bis auch der letzte Dreckssack Blei-durchbohrt zu Boden gegangen ist.

7/10

Sonntag, 16. März 2014

"Shingeki no Kyojin" [JP '13 | Staffel 1]

Gallige, auf absolute Höchstgeschwindigkeiten beschleunigende Action-Einlagen, eruptive, krasse Gewalteskalationen und eine Prämisse, die dem überstrapazierten Prädikat „episch“ endlich einmal gerecht wird. Shingeki no Kyojin“ prügelt einfach wild um sich; hemmungslos, Gewalt-geil und immer bis zum Äußersten konsequent. Die Figuren sind zerstörte Desillusionierte, die Mauern eingerissen und es gibt immer wieder, immer härter und immer gnadenloser Mitten auf die Fresse. 

Die Radikalität des japanischen Überraschungserfolgs erinnert mitunter an das HBO-Phänomen „Game of Thrones“. Inhaltszusammenfassungen sollte man sich derweil am besten sparen, um dieses schnelle, harte Stück Animationskunst vollkommen unbefangen genießen zu können. Im klaren sollte man sich jedoch auch darüber sein, dass die Japaner keine Gefangenen machen. Das Gas tritt man immer bis zum Anschlag durch, Pathos-Schmerzgrenzen katapultiert „Shingeki no Kyojin“ ganz schnell in ungeahnte, schwindelerregende Höhen und überhaupt war Subtilität noch nie eine Sache der sympathischen Inselbewohner.

Nimmt die Serie nach dem sensationellen, den Fatalismus bis zum letzten, Mark-erschütternden Akt auskostenden Einstieg noch eine prinzipiell uninteressante Richtung ein, lässt dich dieses unbarmherzige Miststück von Serie nach einem lauten Knall ganz schnell alleine. Obligatorische, aber doch unabdingbare Handlungsverläufe um einen Jüngling, der zum Soldaten wird, handelt „Shingeki no Kyojin“ innerhalb von zwei Episoden ab, um die Geschichte anschließend mit einer unvermittelten Zäsur weiter voranzutreiben, immer befeuert von den fantastisch animierten Kämpfen und einem wahnsinnigen Soundtrack. Hier ist man sich für keine pathetische Geste zu schade, kein abgedroschener Voice-over wird ausgelassen und dank seines mannigfaltigen, erfrischend geerdeten Figurengefüges funktioniert diese Mischung sensationellerweise auch.

Und obwohl die von Hajime Isayama erdachte Manga-Adaption auch nur die ewig-gleichen Motive um Vertrauen, Freundschaft und Ehre bemüht und das ununterbrochene Geschreie im zehnten Dialog gehörig an den Nerven zerren kann, gibt es immer auch einen Platz für ehrliche Sentimentalitäten und lebendige Emotionen auf diesem ewigen Schlachtfeld. Auch weil man fortwährend aufrichtiges Interesse an seinen tollen bis nicht zu unterscheidenden Figuren zeigt, die zur Ausnahme mal nicht nur auf der Stelle treten, sondern auch mal zweifeln, heulen und verlieren dürfen. Eigentlich sensationell in Anbetracht dieses konsequent überhöhten, auf episch getrimmten Rahmens.

7/10 

Sonntag, 9. März 2014

"Stoker" [US, UK '13 | Park Chan-wook]

Ihre Sexualität entdeckt Indiana erst mit ihrem ersten, in trauter Zweisamkeit verübten Mord. Ihr erstes Mal. Das Klavier(vor)spiel nimmt den Klimax dabei bereits vorweg. Park Chan-wook bewegt sich mit „Stoker“ gelegentlich auf den Suspense-Spuren Hitchcock's, ansonsten aber vor allem auf ganz eigenen, formalästhetisch herausragenden Pfaden. Park verwendet zwar immer wieder Motive und Symbole, mit denen er seine Passionsgeschichte sinnvoll unterfüttert, ansonsten aber ist dessen erste Amerika-Arbeit vor allen ein Musterbeispiel dafür, wie man Style over Substance über bloße Kompensationsversuche hinaus bis zum Exzess zelebriert. Die Reduktion dieser einfachen, nicht blöden aber auch nie wirklich fordernden Geschichte ist bei „Stoker“ nie ein Problem, die Kunst passiert nämlich in den Händen dieses Ausnahmetalents. Schwankende Deckenlampen, die Szenenübergreifend die Gesichter der Protagonisten beleuchten, gleitende, kluge Kamerafahrten, stetig angetrieben von Clint Mansell's irrem Score, übersteuerte Toneinlangen, die ganze Sequenzwechsel vollziehen oder Emily Wells' „Becomes the Color“, der auf die filmische Klammer folgt. Die Schauspieler-Riege leistet hier selbstverständlich ausnahmslos Höchstleistungen ab und Park hat seinen Namen nach diesem Wahnsinn sowieso endgültig in Stein gemeißelt. Wunderschön. 

9/10

Dienstag, 4. März 2014

"Non-Stop" [FR, US '13 | Jaume Collet-Serra]

Zunächst einmal: Er ist keine totale Gurke geworden, sondern ein schnelles Genre-Häppchen, das wohl jeden satt macht, der nicht vorher beim Gourmet zugegen war. „Non-Stop“ hat zumindest einen Liam Neeson, dem noch nicht alles egal ist (Ford) und der nach einer bemerkenswert vielseitigen Karriere offensichtlich das Körperkino für sich entdeckt hat. Nun wird es nach den beiden „Taken“-Filmen und der ebenfalls von Collet-Serra inszenierten Berlin-Hatz „Unknown Identity“ nämlich wieder ganz körperlich, diesmal über den Wolken. Überhaupt ist Neeson's Performance zuallererst eine physische; schweißtreibende Arbeit, die schauspielerisch die Register zieht, die für einen solchen Film eben erforderlich sind. Plot und Figuren sind natürlich größtenteils Murks, der Suspense-Faktor (gerade in der Startphase an den besseren „Flightplan“ erinnernd) schnell verflogen und dem gesprochenen Wort sollte hier sowieso nicht allzu viel Bedeutung beigemessen werden. Wie heutzutage üblich werden vermeintlich lebensbedrohliche Situationen immer wieder durch ironische One-Liner entschärft, während das twistige Drehbuch unentschlossen durch seine Themenkomplexe pflügt. „Non-stop“ thematisiert zwar am Rande immer wieder tagesaktuelle Ängste um Flugzeugentführung und Terrorgefahr, die die Amerikaner seit 9/11 in jeden beliebigen Genre-Epigonen einpflanzen müssen, am Ende aber ist Genre-Nulpe Collet-Serra ("Orphan") mit seinem schnörkellos verpackten Happy-End wieder ganz in den guten alten Zeiten. „Non-Stop“ ist nichts worüber man sich groß aufregen könnte, dafür ist er zu gediegen in Szene gesetzt, zu routiniert gespielt und schließlich auch viel zu egal.  Vielleicht ist das, das schlimmste daran.

4/10 

Sonntag, 2. März 2014

Zuletzt gesehen: Februar 2014

"Episode I - The Phantom Menace" [US '99 | George Lucas] - 7/10

"Episode II - Attack of the Clones" [US '02 | George Lucas] - 4/10

"Episode III - Revenge of the Sith" [US '05 | George Lucas] - 7/10

"Nader und Simin" [IR '11 | Asghar Farhadi] - 6/10

"The Last Kiss" [US '06 | Tony Goldwyn] - 4/10

"Am Himmel der Tag" [DE '12 | Pola Schirin Beck] - 6/10

"Barfly" [US '87 | Barbet Schroeder] - 6/10

"Happiness" [US '98 | Todd Solondz] - 7.5/10

"Staplerfahrer Klaus" [DE '00 | Stefan Prehn & Jörg Wagner] - 6/10

"American Hustle" [US '14 | David O. Russell] - 5/10

"Frances Ha" [US '12 | Noah Baumbach] - 4.5/10

"Kari-gurashi no Arietti" [JP '10 | Hiromasa Yonebayashi] - 5/10

"Paths of Glory" [US '57 | Stanley Kubrick] - 7/10

"Dead Man Walking" [US '95 | Tim Robbins] - 6/10

"Abgedreht" [US '08 | Michel Gondry] - 4/10

"The Deer Hunter" [UK, US '78 | Michael Cimino] - 7.5/10

"Dumbo" [US '41 | Ben Sharpsteen] - 5/10

"Pinocchio" [US '40 | Hamilton Luske] - 6/10

"Bärenbrüder" [US '03 | Robert Walker] - 4/10

"House of Cards" [US '14 | Season 2] - 7.5/10