Mittwoch, 20. September 2017

Ein paar Gedanken zu 3 von 4 Indy-Filmen

Auffällig in der Retrospektive ist zunächst, dass sich die Filme gerade aufgrund ihrer konkreten historischen Bezugnahme wunderbar als eskapistischer Spaß genießen lassen. Dieser Spaß schwankt von Teil zu Teil jedoch erheblich. Der erste Film, noch ohne das Franchise-Label „Indiana Jones“ schlicht „Raiders of the Lost Ark“ genannt, markiert hier bereits den Höhepunkt. Harrison Ford steht in einer der kommerziell wahnsinnigsten Karrieredekaden überhaupt (vom „Star Wars“-Set zu „Indiana Jones“ zu „Blade Runner“ usw.) bei seinem ersten Indy-Auftritt voll im Saft; gibt kraftvoll und lakonisch den Halbtags-Archäologen und Abenteurer.

Im Kampf gegen die Karikaturen der Hakenkreuz-Bande um den Prototypen des schmierigen Gestapo-Majors Toht gilt: nur ein toter Nazi ist ein guter Nazi. Während die Nazis an der Bundeslade nur interessiert sind, weil sie sich einen beträchtlichen Machtzuwachs davon versprechen, liegt Indy zuvorderst der historische Wert am Herzen. Und Spielberg findet für die Tour de Force nach der Bundeslade die passenden Bilder. Sofort eingebrannt haben sich die wunderschönen Matte-Paintings von den Bergen Nepals, die erste Begegnung mit dem wunderbar fiesen Krötengesicht Toht eben dort, die Basare Kairos oder der unsterbliche, ikonische Shot von Jones vor der untergehenden Sonne in der Wüste Ägyptens. Der Reiz des ersten Filmes liegt in der Ferne des Unbekannten und in der Aussicht der Möglichkeiten.

Interessanterweise beschränkt sich „Temple of Doom“ an genau dieser Stelle und unternimmt den Versuch, trotz der Installation eines kindlichen Sidekicks, den Grundton des Erstlings in neue Genre-Gefilde zu überführen. Trotz des beständigen Flirts mit Horror-Elementen über die gesamte Reihe hinweg, ist es der zweite Film, der sich ganz klar zu den Traditionen des B-Horrors bekennt. Im Tempel des Todes werden während ritueller Opferzeremonien Herzen mit bloßer Hand aus der Brust gerissen, hysterische Frauen durch dunkle Gänge mit giftigen Krabbeltieren gejagt und Indy durch schwarze Magie zum willenlosen Diener degradiert. „Temple of Doom“ vollzieht einen lobenswerten, tonalen Wechsel und scheint sich und seiner Idee doch nie ganz zu vertrauen: Der Titel-gebende Tempel des Todes spielt erst in der zweiten Hälfte des Filmes eine wirkliche Rolle, zuvor überlassen sich Spielberg und Lucas ganz und gar den Steigerungs-Mechanismen, die einige Jahre später auch den dritten und 24 Jahre später vor allem den vierten Film bestimmen sollten.

Wenn Indy und seine Begleiter ein gelbes Gummiboot erst zum Fallschirm und dann zum Schlitten umfunktionieren, um dann endlich in sicheren Gewässern zu landen, verschwendet das Duo vor allem viel Zeit auf hässliche Rückprojektionen, statt dem eigenen Konzept zu vertrauen, welches vorsieht Indy aus der Weite der Wüste in ein düsteres Kammerspiel zu zwingen. Dort gewinnt der Film durch konsequente Horror-Anleihen zwar wieder, leidet aber auch gleichzeitig unter einem krassen Orientalismus (Affenhirn auf Eis) und der sensationell nervigen Kate Capshaw, die mit einer Figur geschlagen ist, die entweder genervt, ängstlich oder rallig sein darf, wenn Indy mal wieder seinen rauen, männlichen Charme und die Lederpeitsche auspackt. Selbst die technisch aufwendig in Szene gesetzte Mienen-Rundfahrt reißt hier nicht mehr viel raus.

Teil 4 ist indes nicht so schlimm wie es die Erinnerung vorgab. Hässlich ist er zwar geblieben, aber statt an überflüssigem CGI leidet „Kingdom of the Crystal Skull“ vor allem an einem akuten Weichzeichner-Overkill, der jedem Frame die Kanten glättet und jeder Tiefe beraubt. Wenn der Film Shia LaBeouf (übrigens nicht das Problem) zum Lianen-schwingenden Tarzan macht oder ihn in einen Degenkampf gegen eine russische Superschurkin stößt (weil er das ja auf der Privatschule gelernt hat), dann sind das irritierende Momente der Hässlichkeit und sie stehen zugleich exemplarisch für den Film: denn abseits dieser Einzelmomente reißt die Dschungel-Sequenz auch immer wieder mit. Über die Bewegung der Action erzählt Spielberg auch von einer sukzessiven Familienzusammenführung und streut immer wieder vergnügliche Wortgefechte zwischen Indy und Ravenwood ein, die nach 27 Jahren immer noch so schön lächeln kann wie damals.

Das Problem liegt weniger an den Grundzutaten, nur scheint Spielberg das Feingefühl abhanden gekommen zu sein, die einzelnen Elemente auszubalancieren. Aus einer romantischen Annäherung muss hier zwingend eine übersteuerte Hochzeitszeremonie folgen, die Bedrohungsszenarien nach Giftschlangen und mörderischen Fallen in einer Atomexplosion gipfeln und die Verfolgungsjagd im Dschungel muss noch damit gekrönt werden, dass Ravenwood gezielt auf einen Baum am Abgrund zusteuert und an diesem herab in den Fluss gleitet. Das ist so drüber, wie es Plastik ist. Und statt Gefahren existieren hier nur noch Attraktionen am Wegesrand. Das ist am Ende leider so aufregend wie ein Familienausflug in den Serengeti-Park – und mindestens so falsch.

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