Samstag, 30. Januar 2016

"Laurence Anyways" [CA '12 | Xavier Dolan]

Ich verstehe diese Welt nicht. Warum ist hier jeder wie 'ne Nutte bepinselt? Und wo kommen diese grässlichen Tapeten her? Warum darf hier nur zwischen emotionalen Extremen geschwankt werden und jede Regung scheinbar nur wild gestikulierend, laut krakeelend ausgespien? Warum sind hier alle so voll von sich selbst und so falsch in Gesellschaft? Bei Streitgesprächen wackelt die Kamera und schwenkt was das Zeug hält, weil das ja die Desorientierung und innere Unruhe der Protagonisten direkt physisch spürbar macht. Zwischendurch pumpen Pop-Songs vergangener Dekaden und Leute von der Fashion-Week laufen in Zeitlupe Straßen hinunter – sowieso ein typisches Dolan-Bild. Vor lauter Gefühlen, Tränen und Schmerz in exaltierter Ausgestelltheit spüre ich in dessen dritter Regie-Arbeit aber leider gar nichts mehr. Und sein redundanter Inszenierungsstil wird in der exorbitanten Lauflänge umso deutlicher spürbar. Dolan ist nicht doof und seine Themen brisant. Es ist nicht so, dass sich hinter der verschmierten Mascara nur Leere verbirgt und hinter den Klamotten nur Plattitüden. Aber leider zieht er es vor über Penetranz, statt über Details zu erzählen. Und leider zieht er eine Welt vor, in der nur der gehört wird, der am lautesten schreit und der am buntesten gekleidet ist. Ein Ort voller extrovertierter Hedonisten, die der Welt den lackierten Mittelfinger entgegenstrecken und die Borderline zum Zuhause machen. Leider lebt dieser Dolan in einer anderen Welt und womöglich ist das auch okay und gar nicht so traurig wie ich mir einreden will. Filmliebhaber anyway. 

4/10 

1 Kommentar:

  1. Xavier Dolan hinterlässt bei mir auch immer Fragezeichen. Gut, er versteht es präzise und einprägsame Bilder zu zaubern. Aber seine Geschichten sind mir stets ein wenig nichtssagend und wie du es so schön ausdrückst: redundant. Da stimme ich gern zu.

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