Sonntag, 18. Januar 2015

"Sherlock" [UK '14 | Season 3]

„Der leere Sarg“

Dreht sich fast ausschließlich im Kreis. Die Köpfe hinter "Sherlock" verlieren sich im Twist des Twists, weil letztlich sowieso nichts so ist, wie es zu sein scheint, weil hinter allem ein doppelter Boden steckt und das Kaninchen dahinter, weil man statt einer kreativen Vision zu folgen, zum Dienstleister einer selbst geschaffenen, kaum zu befriedigenden Fan-Gemeinde geraten ist. Also wird vornehmlich um sich selbst und den Paukenschlag der zweiten Staffel gekreist: Wie hat Sherlock überlebt? Am Ende dieser als verschachteltes Twist-Konstrukt getarnten Pose ist das eigentlich völlig egal, weil sich das künstlich hochgejazzte Mysterium um den Ausgang des Reichenbachfalls durch unzählige, potenzielle Ausgänge selbst entzaubert. Abseits davon pumpt "Der leere Sarg" einen Vierzig-Minuten-Plot durch hippe Überinszenierung und ewige Zeitlupen-Exzesse sogar auf Spielfilm-Länge auf. Langweilige Angeber-Figuren wie Mynecraft verschenken inzwischen jede Sympathie, während Cumberbatch jedem Poser-Gehabe entgegen, sogar Momente rührender Menschlichkeit verleben darf bis das Finale ihn wieder zum kolossalen Arschloch mutieren lässt. Es gibt Augenblicke, die machen Lust "Sherlock" weiterzuverfolgen, der Rest wird unter dem unbedingten Streben, besonders clevere Abend-Unterhaltung abliefern zu wollen, begraben. "Sherlock" ist ein riesiges Missverständnis.

4/10

„Im Zeichen der Drei“

Zunächst, so scheint es, setzt sich der Negativtrend fort. „Im Zeichen der Drei“ startet über überflüssigen technischen Firlefanz und den absoluten stilistischen Overkill nämlich zunächst ein Ablenkungsmanöver nach dem nächsten; jeder Szenenwechsel wird nochmal akustisch unterstützt, keine Einstellung darf länger als fünf Sekunden verweilen. Die sinnvolle Verwendung filmästhetischer Mittel, die Sherlock's Beobachtungs- und Denkprozesse als integraler Bestandteil der Serie in schnittige Bilder übersetzt, ist längst zur eitlen Pose verkommen, die die Inszenierung nur noch selten als Diener versteht und seine Figuren viel zu oft zu einfachen Comic-Reliefs degradiert. Zumindest die Figur der Mary Morstan (Amanda Abbington) bringt frischen Wind in die Figuren-Konstellationen der Serie, weiß sie doch offenkundig mit Sherlock's unzähligen Eigenheiten umzugehen und immer wieder liebevollen Widerstand zu leisten. Völlig beschwipst vom andauernden Fan-Service und Angeber-Parolen scheinen die Autoren nämlich noch nicht, so markiert Sherlock's Hochzeitsansprache einen ersten, mittelgroßen Höhepunkt im dritten Serien-Jahr. So selbstreflexiv, so emotional intelligent und empathisch durfte sich Sherlock bisher nur selten geben und „Im Zeichen der Drei“ führt die Entwicklung des „hochfunktional soziopathischen“ Ermittler-Genies konsequent weiter. Man darf ihn nicht mehr nur bewundern oder ätzend arrogant finden, man darf ihn inzwischen sogar richtig lieb haben - trotz seiner Fehler, weil er manchmal wie ein kleines Kind ist und manchmal wieder ganz der Alte. Die Struktur von „Im Zeichen der Drei“ - die unzuverlässige Nacherzählung eines Falles, der von hinten aufgerollt wird und kleine Anekdoten als Teil der wundervollen Hochzeitsrede (schlimm: Sherlock und Watson auf Junggesellen-Abschied) – lädt zu einem gemütlichen Rätselraten mit spannendem Finale ein. Tatsächlich: „Sherlock“ funktioniert. Noch.

5/10

„Sein letzter Schwur“

Und weiter geht’s. Auch Episode 3 führt die Entwicklung hin zu einem „neuen“ Sherlock mit einigen Überraschungen fort. Nun werden also auch die Drogen thematisiert und nach der für Sherlock äußerst verwirrenden Begegnung mit Irene Adler in Staffel 2 wird das weibliche Geschlecht sogar in seinem Schlafzimmer gesichtet, was in einer wunderbaren Szene mit Freeman festgehalten wird; eine Szene, die auch deswegen so wunderbar ist, weil Freeman – wie der Zuschauer auch – viel weniger an den Ausführungen über den sich anbahnenden Fall als an Sherlock's scheinbarer Beziehung interessiert ist, was „Sein letzter Schwur“ schließlich auch ganz konkret miteinander verzahnt. Darüber hinaus betritt nach zwei mehr oder minder entspannten Detektiv-Abenteuern nach Moriaty nun ein weiterer, ernst zu nehmender (Bond-)Bösewicht die Bühne und pisst Sherlock und Watson sogar ganz wörtlich ans Bein. Der angenehm twistige Fall hält nach dem soliden zweiten Durchgang zudem einen weiteren Höhepunkt bereit, der die große Überraschung mal wieder selbstbesoffen überinszeniert. In einigen Momenten ist „Sherlock“ dann sogar so gut wie zu besten Zeiten, wenngleich das eigene Miträtseln bei so viel Wendung, Illusion und Kartentrick irgendwann auf der Strecke bleibt. Am Ende ist nur sicher, dass nichts sicher ist - das lehrt uns schließlich auch der obligatorische Cliffhanger, der das vorhersehbare, aber spannende Finale vollkommen ad absurdum führt.

5/10

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