Samstag, 5. Juli 2014

"King of Queens" [US '98 | Michael J. Weithorn]

 Neben der sonntäglichen „Lindenstraße“-Folter (eine Form der Selbstkasteiung, die meine Eltern zur cinephilen Bildung ihrer Blagen als notwendig erachtete) ist mir keine andere Serie in Erinnerung geblieben, die ich mit meiner Familie je regelmäßig und gemeinsam geschaut hätte. „King of Queens“ war ein kleines, familiäres Großereignis. Jedenfalls für mich. Auf diesem kleinen, wirklich sehr kleinen Röhrenfernseher unter dem das Logo eines japanischen Elektrogeräteherstellers thronte, unter den harten, knarrenden Holzdielen, die von unseren täglichen Eskapaden sichtlich gezeichnet waren, hinter uns das tiefschwarze Ledersofa mit den vertrockneten Popel-Resten in den Rillen und der hauptsächlich durch 9Live-Wiederholungen verpesteten VHS-Sammlung zu unserer Rechten. Nur ein Scherz. So klein war der Fernseher nun auch wieder nicht.

Jahre später bekam ich zum Geburtstag die erste Staffel von „King of Queens“ auf DVD. Von da an bekam ich Jahr für Jahr – zu allen möglichen Anlässen – eine weitere Sammel-Box, die ich unverzüglich ihrer verschweißten Hülle entriss und meiner Sammlung hinzufügte, bis ich schließlich jedes Bestandteil dieses neun Staffeln umfassenden Mikrokosmos in meinem wackeligen Holzregal vereint hatte. Diese Zusammenführung über einen langen Zeitraum, trug zur Schaffung einer sehr persönlichen Bindung ganz entscheidend bei. Jedes neue Mosaik hatte seinen ganz eigenen Wert, jede Staffel begleitete mich über einen gewissen Zeitraum auf irgendeine Weise, wurde quasi zu einem Wegbegleiter, hielt die nötige Dosis Eskapismus bereit, formte meinen Sinn für Humor oder brachte mich zum lachen, wenn mir nicht zum lachen zumute war. 

Regelmäßig schaute ich mit meiner Familie die neueste Staffel, verschlang sie und tauchte in sie ein, traf alte Bekannte wieder, von denen ich schwören könnte, dass sie mir durch die lästigen Begrenzungen der Flimmerkiste hindurch zugezwinkert hätten und immer wieder entdeckten wir auf unseren Ausflügen Episoden, die wir im TV verpasst hatten und schlossen so unsere Wissenslücken. Diese Abende und all diese „ach, eine Folge geht noch“-Momente sind nun Bestandteil dieses Gefühls, das ich habe, wenn ich zurückkehre, in die Vorstadt, nach Queens, zu Freunden, dieses Wiederaufrischen von Gefühlen, Momenten und Situationen die mit dieser Serie behaftet und gekoppelt sind.

Ich liebe diese Serie und ich liebe ihre Figuren. Arthurs Alltags-Verkomplizierungen und cholerischen Anfälle. Seine Marotten und liebevollen Blödeleien, seine Lügengeschichten und bizarren Regelwerke. Wie er eine Schnute zieht und leidenschaftlich albern mit dem Becken wackelt. Seine Vitalität und Gutmütigkeit, seine Überreaktionen und Verbal-Duelle. Diese brüllend komischen Ausrufe und die gleichzeitige Befähigung ob der Tragik seiner wundervollen Figur auch mal innezuhalten. Ein Verrückter, geistesgestört, kein Zweifel. Aber auch ein Kellerkind, das nie verlernt hat Kind zu sein.

Und dann Doug, immer mit vollem Körpereinsatz – und das ist eine Menge. Der Typ, der sich nicht zu schade ist, sich vollkommen zum Affen zu machen, dieses ultra-sympathische Postboten-Gesicht zu komischen Visagen zu verzerren und mit seinem beharrten Schwabbelbauch in der Gegend herumzuwackeln. Ein gutmütiger Durchschnitts-Amerikaner, der in seinem Talent zum grenzenlosen Optimismus überhaupt nicht durchschnittlich ist und der in allem zuallererst die guten Seiten zu erkennen vermag. Das Glas ist immer halb voll und der Teller ganz sicher nie leer. Und Carrie, dieses Biest mit den langen, künstlichen Fingernägeln, diese liebevolle, besonnene Ehefrau, die immer auch Mutter spielen muss, um den häuslichen Kindergarten in Ordnung zu halten. Eine undankbare Rolle. Der Spielverderber, der immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Doug's Team-Partner, die Karrierefrau und Manhattan-Tussi, so ambivalent, weil menschlich konzipiert.
 
King of Queens“ propagiert ein fortschrittliches Lebensmodell; eines das besagt die Alten nicht einfach abzuschieben, sondern ihren Geschichten zu lauschen und einzusehen, dass sie möglicherweise noch vieles zu sagen haben. Mit den Zitaten dieser Serie könnte man Bücher füllen. Bücher, die etwas zu sagen hätten. 

Für die Postboten dieser Welt, für die übergewichtigen Großstadt-Clowns und Kellerkinder, für die senilen Zirkusaffen und zickigen Emanzen, für die zufriedenen Mittelständler und starken Frauen, ohne die diese Welt gnadenlos zugrunde gehen würde, für die verschrobenen Nerds und erfolglosen Cousins da draußen, für die Sportler und einsamen Witwen, die Arschlöcher und Alkoholiker – eine pathetische Geste darf erlaubt sein, eine gut gemeinte Verneigung, ein Knicks in voller Inbrunst. „King of Queens“ - mein Herz gehört dir.

4 Kommentare:

  1. Eine wirklich schöne Besprechung zu einer tollen Serie, die mir ebenso wie dir ans Herz gewachsen ist und so manchen schweren Moment leichter gemacht hat. Ich mag besonders die ersten 5 Staffeln ziemlich gerne, danach ging es (speziell gegen Ende) leider ziemlich bergab. Dennoch wird mir die Serie stets als gut im Gedächtnis bleiben.

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  2. Klar, auch "KoQ" lief wie so viele Serien (Sitcoms im besonderen) über seine Zeit, aber selbst in den letzten Staffeln gibt es ab und an eine echte Perle zu entdecken. Die erste Season finde ich vor allem deshalb spannend, weil man beobachten kann, wie die Autoren auf der Suche nach der "Seele" der Serie waren - in welche Richtung also der Humor gehen soll, wie sehr Figuren gewichtet werden sollen (Carrie's Schwester sollte ja ursprünglich eine weit größere Rolle spielen, hätte aber die Dynamik im Haushalt komplett verschoben). Die Staffeln, die darauf folgten konnten dann auf diesem Fundament aufbauen und profitierten natürlich auch von der gewonnenen Erfahrung aller Beteiligten (ähnlich wie bei "Community", die nun endlich in die 6 Season geht (yeah!)). Lange Rede, kurzer Sinn: ich stimme dir zu. ^^

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  3. Sehr inbrünstiger Text. :) Aus der Aktion Lieblingsserie?

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    1. Eigentlich nicht. Ich wollte zwar etwas dazu schreiben, aber mir fiel nichts ein. Dann dachte ich, ich schreibe eine große Besprechung zu jeder einzelnen Season, aber da hat mich der Mut verlassen. Also ist statt einer Analyse, dieses von Herzen kommende Nichts entstanden.

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