Freitag, 15. Februar 2013

Eine erste Begegnung mit Wong Kar-Wai

Anlässlich der Internationalen Filmfestspiele in Berlin und dem diesjährigen Jury-Präsidenten Wong Kar-Wai zeigten die Öffentlich-Rechtlichen die vergangenen Tage und Wochen einige ausgewählte Werke des renommierten "Arthaus-Regisseurs" aus Hongkong. Grund genug für mich ebenfalls mal einen etwas genaueren Blick auf dessen Filmographie zu werfen, zumal das Asia-Kino in der Vergangenheit bereits einige kostbare Perlen für mich bereithielt und ich den Eigenarten solcher Produktionen bislang sehr positiv gegenüberstand. Es folgen also erste Eindrücke, die ich nach inzwischen fünf Werken Wai's gewonnen habe...

Um eines gleich voranzustellen: Kar-Wai-Filme sind anstrengend, sperrig, leise, sinnlich und schlicht anders. Einen Zugang zu seinen Filmen zu finden, erweist sich als schwierig, kann aber erleichtert werden, wenn man seine grundsätzliche Herangehensweise an das Filmschaffen als solches erst einmal verstanden hat. Laut eigenen Aussagen liegen seinen Werken nämlich keine konkreten Drehbücher zugrunde. Stattdessen ist der Ansatz Wai's ein sehr intuitiver, sodass viele Szenen nicht selten aus Situation, Stimmung und Improvisation entstehen und sich von dort aus weiterentwickeln. Ein Ansatz, der den Darstellern eine gesonderte Rolle zugesteht, gleichzeitig aber auch neben den schauspielerischen Fertigkeiten ein entsprechendes Verständnis von Narration und Bildsprache, Form und Inhalt voraussetzt.

Besonders deutlich wird dieser sehr unkonventionelle Ansatz in „Ashes of Time“ (1994; 2008 Neauflage in der Redux-Version, welche im folgenden besprochen wird). Selten folgt der Film einer klaren Dramaturgie, versagt sich beinahe gänzlich konventionellen erzählerischen Konzepten und scheint fast meditativ in seiner Wirkung. Wai steht ganz in der Tradition des phantastischen Wuxia-Films (Wikipedia), lässt auf hörbare Stille plötzlich jeden physikalischen Gesetzen spottende Schnetzel-Orgien folgen und stellt damit gerade westliche Sehgewohnheiten (und damit nicht zuletzt die meinen) erheblich auf die Probe. Immer ist ein Wai-Film auch mit dem regelmäßigen Blick auf die Uhr verbunden und dem gleichzeitigen Ehrgeiz einen Zugang zu diesen schwierigen, theatralischen Figuren und den unwirklichen Welten zu finden.

Thematisch, wie zeitlich verorten sich schließlich gleich drei Filme Wai's im Hongkong (bzw. Shanghai) der 60er Jahre. Sowohl das großartige Frühwerk „Days of Being Wild“ (1990), als auch „In the Mood for Love“ (2000) und schließlich „2046“ (2004; welcher auch ganz konkrete Zusammenhänge zum vorigem herstellt) liegen die selben Themenkomplexe zugrunde. Wai's Figuren sind immer Betrüger und Betrogene zugleich; Getriebene, die entweder aus eingefahrenen Zuständen und schnöden Beziehungsverhältnissen auszubrechen versuchen oder sich diese nicht eingestehen möchten. Und immer ist es die Sehnsucht nach Ausbruch, die Wai inmitten klaustrophobischer Wohnhaus-Architekturen zu thematisieren versteht. 

Seine Figuren scheinen ziellos, Geschichten verharren in Repetition und Zeitraffer-Montagen, ebenso wie die auditive Untermalung, welche sich oft auf nur wenige, sich wiederholende Stücke beschränkt. „Days of Being Wild“ ist aus dieser Reihe besonders hervorzuheben; dieses rohe, hemmungslos theatralische Frühwerk Wai's mit seinen feinen Beziehungsstrukturen, den Irrungen und Wirrungen, dem ganzen Gefühlschaos und endlich einmal einem formalen Konzept, welches seinen Darstellern nicht im Wege steht, sondern diesen eine unaufgeregte Bühne bereitet.

Der 2007 folgende „Blueberry Nights“ bedeutet schließlich das Betreten fremden Terrains: Kar-Wai dreht seinen ersten Film in den USA, mit amerikanischen Darstellern und einer vergleichsweise konkreten, fast schon konventionellen Narration. Neben Jude Law und Natalie Portman, setzt Wai auf die schauspielerisch bis dahin gänzlich unerfahrene Soul und Jazz-Musikerin Norah Jones.

Und genau hier liegt bereits ein ganz arges Problem: So sehr es Wai nämlich auch versteht Jones mit einer angenehm zurückgenommen geschriebenen Figur entgegenzukommen, so schwer fällt es dieser wiederum den Film alleine zu tragen. Bis auf abgedroschene Phrasen (Sie hat den langen, statt des kurzen Weges gewählt), einer niedlichen, aber nie mitreißenden Protagonistin und einem tollen Ensemble (David Strathairn, Rachel Weisz, Law/Portman) bleibt „Blueberry Nights“ zumeist nichtssagender Kaffeetratsch, der zudem auf halber Strecke versandet.

Vielleicht also steckt hinter diesem Stil, diesem penetranten Bestehen auf Wiederholungen und melancholischer Elegie ein Genius, das ich bislang nicht zu verstehen vermochte. Vielleicht finde ich ja irgendwann einen vollkommenen Zugang zu diesen Welten, diesen fast surrealen Erlebnissen, vielleicht bleibt mir ein solcher aber auch auf ewig verwehrt. Vielleicht steckt hinter seinen Filmen auch einfach nicht mehr als das Offensichtliche. Vielleicht ist es tatsächlich nur wahrhaftige Schönheit, die Wai zu bebildern versucht; das Zelebrieren des Moments, welches im Mittelpunkt steht. 

Vielleicht geht dessen Interpretation von Kunst aber auch einfach nicht mit der meinigen konform. Und vielleicht wäre das auch vollkommen in Ordnung, weil es einem Diskurs über diese Kunstform als solches nur zuträglich ist, wenn verschiedene Standpunkte und Sehgewohnheiten beidseitig in einen Dialog eintreten und zu einer gewissen kritischen Distanz anhalten. Vielleicht bin ich auch nur zu dumm, und Wai zu schlau. Vielleicht ist es auch andersrum...

4 Kommentare:

  1. Ich kenne nur MY BLUEBERRY NIGHTS. Guter Film, aber nicht unbedingt die Initialzündung, mich mit dem Kerl unbedingt weiter beschäftigen zu müssen.^^

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    1. Falls die mal wieder im TV laufen, solltest du "In the Mood for Love" und "Days of Being Wild" mal ausprobieren, dann kann man ja weitersehen. ;)

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  2. Hihi, nett zusammengefasst und hat auch mich selbst noch ein wenig erleuchtet. Ich denke schon, dass hinter seinen Filmen immer ein thematisches Konzept steht (das sich allerdings oft sehr ähnelt), auch wenn die Narration gänzlich konzeptlos erscheint. Vorhin hab ich erst "Days of Being Wild" geschaut und hatte ehrlich gesagt mit einem der schwächeren Wongs gerechnet. War aber das Gegenteil. Hat mich überrascht.
    Ach, nebenbei: Ich sage ja immer "Wong", nicht "Wai" oder "Kar-Wai" wie du, weil dort drüben doch der Nachname vorn dran steht. Ich dachte, das wäre üblich. Oder weißt du mehr? ^^

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    1. Nee, das mit den Nachnamen wusste ich nicht. Lasse es aber trotzdem mal so stehen.

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