Donnerstag, 22. August 2019

Die Grenzen der Zivilisation - "Bone Tomahawk" [US '15 | S. Craig Zahler]


Ein Cowboy auf Krücken, ein Sheriff, ein alter Kauz, ein Revolverheld. An der Frontier, dem finalen Grenzabschnitt unerforschter Wildnis, an der das Licht der Zivilisation noch nicht jeden Schatten vertrieben hat, machen sie sich auf die Suche nach einer Gruppe Entführter und einer Damsel in Distress. Diese ist die klügste von allen, eine Medizinerin, die stoisch ihrer Arbeit nachgeht und der Zahler die schönste Zeile dieses an schönen Zeilen nicht gerade armen Filmes in den Mund legt: "This is why frontier-life is so difficult. Not because of the Indians or the elements but because of the idiots", erklärt diese entnervt aus der Zelle ihrer Entführer heraus. Das Versprechen des Manifest Destiny für einen Neuanfang in der neuen Welt, die ganze Erzählung eines schicksalshaften, humanistischen Zivilisierungs-Projektes, ist hier längst eine blasse Erinnerung geworden.

Die Realität ist ernüchternd: man droht durch kannibalische Indianer ohne Sprache und ohne Kultur mit Haut und Haaren verspeist zu werden. Der Weg zu den Kannibalen-Indianern und damit in ein grausames Schicksal ist ebenso ernüchternd. Die solidarische Mission der Gruppe ist eine einzige Tortur, ein unaufhörliches Schwitzen in dicken Klamotten, eine ewige Reiterei und Lauferei gegen die unwirtliche Mitwelt, mit kurzen Schlafphasen, die durch die ständige Bedrohung durch kriminelle Streuner-Banden nie wirklich geruhsam sind. Solchen Halunken schreibt Zahler auch die plakativsten aller Zeilen auf den Leib. Im Territorium der Kannibalen-Indianer, über die Zahler einen anderen Ureinwohner gleich zu Beginn erklären lässt, dass diese nichts mit den anderen indigenen Stämmen des Landes zu tun hätten, behauptet einer dieser raubenden und mordenden Bastarde, dass sie sich vor Indianern nicht zu fürchten hätten, da sie ja zivilisierte Männer seien – dabei kratzt er sich mit dem Revolver genüsslich im Schritt. Zivilisiertheit als Selbstzuschreibung und gleichzeitiger Abwertungsversuch des Wilden, des Anderen. Zivilisiertheit als Legitimation für koloniale Expansionsbestrebungen.

Und es stellt sich die Frage, was Zivilisiertheit denn nun tatsächlich bedeuten könnte in dieser brutalen Scheißwelt. Der Cowboy auf Krücken, überhaupt das schönste und vieldeutigste Bild in diesem an schönen Bildern eher armen Filmes, handelt aus Liebe zu seiner Frau, der Sheriff aus einem Gefühl des Pflichtbewusstseins heraus und der alte Kauz spricht andauernd vom schönen Leben, der Erinnerung an gute Zeiten und träumt davon, ein Buch in einer Badewanne lesen zu können, denn nirgends fühle er sich besser als im heißen Wasser der Badewanne. Womöglich verkörpern sie alle zivilisatorische Ideale, während der Revolverheld lediglich vom Wunsch nach Rache beseelt ist und deswegen am weitesten von ihnen entfernt liegt. Die Mittel, die sie alle gebrauchen, um ihre zivilisatorischen Ideale zu verteidigen, sind denen der Wilden dennoch ganz ähnlich. Gewalt inszeniert Zahler nicht als ein heroisches schneller-ziehen, sondern als brutalen Überlebenskampf. Der Titel-gebende Bone Tomahawk wird dabei notfalls zur eigenen Waffe, während der Wilde sich am Repetiergewehr des zivilisierten Mannes versucht. Beide Waffen töten. Lieber er als ich. Hauptsache man kommt aus der Dunkelheit der Frontier irgendwie wieder lebendig heraus – bevor sie einen gänzlich verschlungen hat.   

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