Sonntag, 4. Juni 2017

"Angel" [US '99 | Season 1]

Zu Beginn der ersten Episode schaut doch tatsächlich sexy Sixpack und „Lost“-Bad-Boy Josh Holloway als arroganter Blutsauger vorbei, ehe er von Angel eine ordentliche Tracht Prügel verpasst bekommt und entsetzt zu Staub zerfällt. Mich hat's gefreut, schließlich war Sawyer im Rennen um Herzdame Kate immer mein Sieger der Herzen gewesen. Nach einem Traum von Titel-Sequenz und weiteren Episoden beschlich mich dann jedoch allmählich der ungute, vage Verdacht, mit der Spin-off-Serie „Angel“ lediglich an der „Buffy“-Reste-Rampe angekommen zu sein: Wesley (Alexis Denisof) fungiert offenbar als Giles-Ersatz, mimt tapfer den Briten und überwirft sich ebenso wie dieser im moralischen Gewissenskonflikt mit der Watcher's Council, um in der Folge Opfer ihrer Machenschaften zu werden. Auch er emanzipiert sich vom loyalen Befehlsempfänger zum, nunja, loyalen Angestellten. Ein bisschen zu einfach macht man es sich leider auch damit, über seine steifen britischen Manierismen und betont alberne Slapstick-Momente billige Lacher zu ernten. Denn das haben die Whedon-Produktionen eigentlich immer vermieden: ihre Figuren vorzuführen.

Vor Wesley verabschiedet sich jedoch zunächst einmal der irische Dämonen-Hybrid Doyle (Glenn Quinn ) in der neunten Episode mit einer finalen, heroischen Tat aus der Serie. Dieser hatte bis dahin die Credits und die Seite Angels geschmückt, also schien eigentlich klar: eine neue Hauptfigur. Darf man dem Internet glauben schenken, war das überraschende Ausscheiden dieser Figur weder der Drogensucht des Darstellers (die ihn 2002 endgültig abtreten ließ), noch einem Disput mit dem Cast geschuldet, als vielmehr einer frühen Idee Whedons, die in „Buffy“ noch am Budget scheiterte und nun ein für alle Mal klarmachen sollte, dass eine Credit-Nennung noch lange nicht vor dem Sterben schützt – hätten wir das also auch gelernt. Die Figur des Doyle ist übrigens gleichzeitig ein Vehikel für ein neu eingeführtes erzählerisches Mittel. Dessen regelmäßigen Visionen sind es nämlich, die den narrativen Ausgangspunkt für die Episoden bilden, die hauptsächlich einer Monster-of-the-week-Struktur folgen.

Mit dem Tod Doyles lebt dieses Element in Cordelia (Charisma Carpenter) fort, die in der Scooby-Gang keinen Platz mehr fand, die Whedon aber nicht loslassen wollte. Sie ist der Funken, der die Begegnungen mit den rationalen (Wesley) und stillen (Angel) Männern in der Detektei auflodern lässt. Sie ist die hedonistische Lebensfreude, die zickige Drama-Queen, die die Lust am Dasein für kleine, kostbare Momente auf ihre Mitstreiter zu übertragen vermag – und damit auch auf den Zuschauer. Sie ist der unangebrachte, und deswegen so wunderbare Witz an der falschen Stelle und damit das bestimmende Gegenpol zur titelgebenden Hauptfigur. Diese taucht die Serie vor allem in einen bestimmenden Farbton: Schwarz.

Angel markiert das Gravitationszentrum der Serie ohne Szenen grob an sich zu reißen. Er ist mit seinem schleichenden, geschmeidigen Gang bei gleichzeitiger physischer Präsenz und der kindlichen Unschuld mit der er versucht sich in den Brennpunkten sozialen Miteinanders zurecht zu finden, die Konstante im Untergang und gleichzeitig der Ursprung aller Tragik. Und David Boreanaz spielt die Gesten und Blicke dieser Figur mit solch einer Beiläufigkeit, so bescheiden und stumm, dass dessen raren Ausbrüche aus seiner Rolle zugleich absolute Höhepunkte markieren - beispielsweise wenn sich in „Sense and Sensitivity (Ep. 6) emotionale Ausbrüche wie eine Epidemie verbreiten („You both withdraw when I go vamp. I feel you judge me.“) oder im J.D. Tagtraum-Moment beim Tanz plötzlich alle Stricke reißen (Ep. 13).

Der Einfall von Figuren aus der Haupt-Serie fühlt sich bei diesem harmonisch-disharmonischen Trio wie ein störender Eindringling und Fremdkörper an. Das Auftauchen von Buffy zeigt beispielsweise auf eindrucksvolle Weise wie sehr sich Sympathien mit dem Wechsel der erzählenden Perspektive verändern können. Auch der kurze Auftritt einer wenig ergiebigen, weil viel zu simpel durchpsychologisierten Anti-Helden-Figur wie Faith (Eliza Dushku) hält die Serie vor allem im Dienste des Fan-Service auf, statt „Angel“ auch an der Figurenfront endgültig eigenständig Fuß fassen zu lassen. Wie das aussehen kann, zeigen bemerkenswerte Episoden wie „I've Got You Under My Skin (Ep. 14), die innerhalb einer offenkundigen „Exorzist“-Hommage mit vielen, kleinen oder größeren Wendepunkten operiert und die Erwartungshaltung eines pop-kulturell geschulten Publikums laufend unterwandert. Der finale Schlussgag – der Dämon versucht der leeren, apathischen Hülle seines vermeintlichen Opfers zu entfliehen und nicht andersherum – beweist, wie selbstbewusst sich die Serie in den Traditionen des (mythischen) Horrorfilms zu bewegen vermag - wenn sie nur will. 

Leider bleiben das Ausnahmen in einer an Highlights armen ersten Staffel, die an den Spannungsfeldern zwischen den Figuren und essenziellen Interessenskonflikten viel zu selten interessiert ist und stattdessen mittelmäßige Faustkämpfe serviert. Hier wünsche ich mir mehr Mut zum verrückten Humor, zum figural getriebenen Drama und zum Diskurs um Vampirismus und seine Implikationen, die an der tragischen Angel-Figur doch so wundervoll fassbar werden.

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