Montag, 23. März 2020

Pop ist politisch - "Miss Americana" [US '20 | Lana Wilson]


Was wäre „Miss Americana“ für ein erwartbarer Biografie-Langweiler geworden, wenn Regisseurin Lana Wilson sich damit begnügte, lediglich die Geschichte einer erfolgreichen, schönen Person dramaturgisch nachzuerzählen. Sicher, einer eben solchen Nacherzählung widmet „Miss Americana“ einiges an Laufzeit, der Film tut dies aber auch, um mit genau diesem erzählerischen Modus des unaufhörlichen Aufstiegs schlussendlich zu brechen. Mehr noch: der Film stellt sogar heraus, zu welchem Preis der gezeigte Erfolg erreicht wurde und stellt ihn damit gleichsam ein Stück weit in Frage. Und es wird schnell klar, in was für ein diffiziles, reziprokes Abhängigkeitsverhältnis Fans und Stars und im besonderen Maße Stars und mediale Öffentlichkeiten geraten. Dabei lässt sich vor allem viel über das Verhältnis der Musikbranche zur US-Politik und das Selbstverständnis amerikanischer Stars lernen, insbesondere dann, wenn sie weiblich sind. Und es lässt sich viel darüber lernen, wie wir gesellschaftlich über andere Menschen denken und sprechen, die in der Öffentlichkeit stehen. Was verkörpert sich in den Stars neben persönlichen Sehnsüchten, Fetischen und Träumen? Und welche Wirkungsmacht haben die Stars über uns mit ihren Social Media Accounts, die ganze Nachrichten-Netzwerke in ihrer Reichweite überbieten? Welche Macht haben wir wiederum über unsere Stars? Taylor Swift erweist sich in diesem aufgespannten Bezugssystem als reflektierte Protagonistin, die sich immer wieder Fragen stellt, wo sie sich doch im Grunde auf ihren Erfolg als Musikerin zurückziehen könnte oder sich in nichtigen Branchen-Beefs verausgaben (Aussagen wie ein pathetisch-lappidares „run from fascism“ seien im Moment der kreativen Euphorie verziehen). Taylor Swift muss man vor „Miss Americana“ weder gehört, noch gesehen haben, um zu verstehen, was Regisseurin Lana Wilson hier alles entdeckt; unter dem Make-up, den Glitzer-Kostümen, dem ganzen Bombast eines Menschen – und eines Landes.

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